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03.04.2023 | #097:47 | Boris Lurie & Wolf Vostell im Ludwig Museum Budapest | Art after the Shoah | Ein deutschen Künstler Wolf Vostell, seines Zeichens Pionier der Videokunst, von Happenings und der Fluxus-Bewegung, und den in Leningrad geborenen Künstler und Holocaust-Überlebenden Boris Lurie, Begründer der New Yorker NO!art-Bewegung, verband ab 1964 eine 30-jährige Freundschaft. Unter dem Titel "Art after the Shoah" sind die Arbeiten dieser beiden Künstler nun gemeinsam zu sehen, eine Schau, die ihre künstlerische und geistige Nähe aufzeigt. Nach dem Kunstmuseum Den Haag, dem Kunsthaus Dahlem und dem Ludwig Museum Koblenz ist die Ausstellung jetzt im Ludwig Museum Budapest zu sehen.
Wolf Vostell, B52 Lippenstiftbomber, 1968
VG BILD KUNST
Das Unvorstellbare abbilden, das Grauen der Shoah in der künstlerischen Praxis verhandeln - Boris Lurie und Wolf Vostell haben sich zeitlebens daran versucht, den Finger stets in die Wunde gelegt. Und das in der Nachkriegszeit, in der das Sprechen über den Krieg und die Aufarbeitung des Holocaust Tabu waren - das zeigt die Ausstellung "Art after the Shoah" im Ludwig Museum Budapest.
In dieser Auseinandersetzung mit der Shoah hätten die beiden Künstler eine Gemeinsamkeit, eine gemeinsame Sprache gefunden, erklärt Beate Reifenscheid, Direktorin des Ludwig Museum Koblenz und Kuratorin der Schau. Wie Aktivisten hätten sie das Mantra des "nicht Vergessens" vor sich hergetragen, wollten dagegen vorgehen, dass die Gesellschaft einfach darüber hinwegsieht, was passiert ist.

Wolf Vostell
Trauma als Motor für die Kunst: Für den Deutschen Wolf Vostell war es dabei eine Frage der Haltung und der allgemeine Wunsch, sich mit seiner Arbeit politisch zu positionieren. Bei Boris Lurie waren es die persönlichen traumatischen Erlebnisse, die er in seiner Kunst zu verarbeiten versuchte - während er und sein Vater vier Konzentrationslager überlebten, wurden mehrere Frauen aus seiner Familie bei einem brutalen Massaker ermordet. Neben ihrer Frustration über die nicht-Aufarbeitung dieser Zeit, störten sich beide Künstler auch am ansteigenden Konsumismus der Nachkriegszeit, auch die Rolle der Medien veranlasste sie zu einer kritischen Auseinandersetzung.
Neben diesen geteilten Ansichten gab es - schon vor ihrem Zusammentreffen - auch Parallelen in der künstlerischen Praxis von Boris Lurie und Wolf Vostell, wie die Recherche zur Ausstellung gezeigt hat. Es habe sich immer mehr herausgestellt, dass die beiden sehr lange befreundet waren, das ein oder andere zusammen gemacht haben und sich vor allen Dingen gegenseitig sehr stark beeinflusst haben, so Beate Reifenscheid. Sehr viele Werke würden eine große geistige oder auch konzeptuelle Nähe zueinander aufweisen.

Boris Lurie
Verstörende Bilder mit Wirkung: Denn inspiriert von Aufenthalten in Paris in den frühen 1950er Jahren verständigten sich die beiden Künstler - unabhängig voneinander - auf die Collage. Bilder aus der Werbung, Worte aus Zeitungen und wie im Falle von Boris Lurie auch pornografische Darstellungen von Frauen, wurden mit Fotos von Opfern des Holocaust in ihren Collagen zusammengefügt. Ähnlich wie bei Jackson Pollock formulierte Boris Lurie diese Collagen wie ein "All Over, wo man die einzelnen Strukturen gar nicht mehr sieht", erklärt Beate Reifenscheid.
Man würde übermannt von Einzelbildern, von Fragmenten. Und das macht später auch Wolf Vostell - eine fragmentarische Struktur schaffen, "die einen auffrisst als Betrachter", so die Kuratorin weiter. Dieses Aufeinanderprallen von extremen Gegensätzen, von starken Bildern, sei es auch, was die Arbeit der beiden durchaus verstörend macht.
Heutige Gültigkeit: Kunst, die bis heute aufwühlt - ganz im Sinne ihrer Schöpfer. Die Parallelen zur Gegenwart seien dabei nicht von der Hand zu weisen, sagt Beate Reifenscheid. Denn wir hätten viele Kriegsherde, Populismus, immer noch eine hohe Konsumhaltung, "wir sehen viele Menschen als Objekte und nicht als Subjekte", so die Kuratorin. Deshalb findet sie solche Ausstellungen auch besonders wichtig, man könne viel daraus lernen.
"Art after the Shoah" ist nach Stationen im Kunstmuseum Den Haag, im Kunsthaus Dahlem und dem Ludwig Museum Koblenz jetzt im Ludwig Museum Budapest zu sehen, noch bis zum 30. Juli 2023.

03.02.2023 | #09:20 | Jahr im Zeichen der Fürsorge - Budapester Zeitung | Schrecken des Holocaust | Die konfrontative Kunst von Boris Lurie und Wolf Vostell wird zum ersten Mal in Ungarn zu sehen sein: Die Ausstellung „Kunst nach der Schoah“ wird am 31. März eröffnet. Sie stellt die Schrecken des Holocaust und die Traumata seiner Opfer der Oberflächlichkeit der Konsumgesellschaft gegenüber.

26.12.2022 #01:31 | Museums-Ausstellung für Boris Lurie | Tachles | Das den Weltkulturen gewidmete «Museo Nacional de las Culturas del Mundo» in Mexico City zeigt 95 Werke des Holocaust-Überlebenden aus Riga.«Keine Kompromisse» lautet in deutscher Übersetzung der Titel der Ausstellung «Boris Lurie – No Complaciente» mit 95 Werken des in 2008 in New York verstorbenen Künstlers, die bis zum 21. Mai 2023 am «Museo Nacional de las Culturas del Mundo» in der mexikanischen Hauptstadt zu sehen sein wird (Link). In Zusammenarbeit mit der New Yorker «Boris Lurie Art Foundation» zeigt das den Weltkulturen gewidmete Haus 95 Arbeiten des Künstlers. Lurie hatte Ende der 1990er Jahre für mehrere Wochen Mexiko bereist, um Land und Kultur besser kennen zu lernen. Die Ausstellung ist auch ein Rückblick auf seine Zeit in Mexiko und seine erste Ausstellung dort und findet nicht zuletzt bei jüdischen Medien dort grosse Aufmerksamkeit (Link). Lurie wurde 1924 in Leningrad geboren, wuchs aber in Riga auf. Er war beim deutschen Einmarsch 16 Jahre alt. Die Deutschen ermordeten einen Grossteil seiner Familie und Luries erste Freundin. Nur er und sein Vater überlebten und konnten 1946 in die USA auswandern. Doch er hatte schon bei Kriegsende mit der künstlerischen Verarbeitung seiner Leidenserfahrungen begonnen. Auch wenn er die Medien und Formensprache seines Werkes bald erweitern sollte, blieb die Verknüpfung der eigenen Vita mit der Konsumkultur und damit der Verwandlung von Menschen, Körpern und Kunst in Waren und Konsumgüter das zentrale Projekt des Künstlers Lurie. --- Andreas Mink

26.12.2022 #01:31 | 70'000 Einwanderer im 2022 | Tachles | Keine Kompromisse» lautet in deutscher Übersetzung der Titel der Ausstellung «Boris Lurie – No Complaciente» mit 95 Werken des in 2008 in New York ... | Rund 70'000 Neueinwanderer aus 95 Staaten werden im ablaufenden Jahr 2022 nach Israel immigriert sein. Neben der Jewish Agency haben das israelische Alijah- und Integrationsministerium mitgeholfen, dieses beste Resultat in den letzten 23 Jahren zu realisieren. Der Vergleich zum Jahr 2021 kann sogar als «dramatisch» bezeichnet werden, wanderten 2021 doch nur gerade 266'00 Neuneinwanderer im Jüdischen Staat ein. Die meisten Einwanderer im Berichtsjahr kamen aus Russland und der Ukraine, während die Alijah aus den meisten anderen Staaten wieder das Niveau erreichte, wie es vor der Pandemie geherrscht hatte. Die «Jerusalem Post» weist in ihrem Bericht zum Thema vor allem auf den beispiellosen Einsatz der massgeblichen Organisationen und Gemeinden weltweit angesichts der Situation in der Ukraine hin: «In Zusammenarbeit mit der israelischen Regierung und jüdischen Gemeinden in aller Welt unter Anführung der Jüdischen Föderation von Nordamerika und dem Keren Hajessod wurden innerhalb von 24 Stunden nach Beginn der russischen Invasion die verschiedensten Operationen in Ländern lanciert, die zur Ukraine angrenzen. – Daten für die Zeit vom 1. Januar und dem 1. Dezember des laufenden Jahres zeigen, dass in der Berichtsperiode 37'564 Olim aus Russland und 14680 aus der Ukraine in Israel eintrafen. Darüber hinaus zählte man 3500 Neueinwanderer aus Nordamerika, 2094 aus Frankreich, 1993 aus Weissrussland, 1498 aus Äthiopien, 985 aus Argentinien 526 aus Grossbritannien, 426 aus Südafrika und 336 aus Brasilien. Interessant auch die Aufteilung der Olim nach Altersstufen: Rund 27 Prozent der diesjährigen Immigranten sind junge Leute von 18-35 Jahren, einschliesslich Berufstätige in Bereichen, in denen Knappheit herrscht in Israel wie Medizin, Ingenieurwesen und Erziehung. Rund 24 Prozent der Olim sind Kinder und Teenager bis zu 17 Jahren, 22 Prozent der Einwanderer sind Menschen zwischen 36 und 50 Jahren, bei 14 Prozent handelt es sich um Menschen zwischen 51 und 65 Jahren, während 13 Prozent über 65 Jahre alt sind. --- Jacques Ungar

19.12.2022 #13:19 | Münchner Kammerspiele: "Lurie's Lyrics" und "News from the Past" - Kultur - SZ.de | sueddeutsche.de | Die Kammerspiele zeigen ein Konzert über den NO!art-Gründer Boris Lurie und ein Stück des Ukrainers Stas Zhyrkov. | Theater der Erinnerung:Wieso wiederholt sich das Grauen?

"News from the Past", eine ukrainisch-deutsche Stückentwicklung
mit Edmund Telgenkämper, Vitalina Bibliv, Leoni Schulz und Dmytro Oliynyk (v.li.).
(Foto: Judith Buss)
Die Münchner Kammerspiele zeigen ein Konzert über den Künstler Boris Lurie, der vier Jahre in deutschen KZs überlebte. Dazu ein ukrainisches Stück über Hungersnot und den Aufstieg Hitlers. Von Egbert Tholl ►mehr

19.12.2022 #13:19 | Theater - Ilja Richter: Erspare mir im Internet sehr viel Ärger - Kultur - SZ.de | Süddeutsche Zeitung | Die Münchner Kammerspiele zeigen ein Konzert über den Künstler Boris Lurie, der vier Jahre in deutschen KZs überlebte. Dazu ein ukrainisches Stück ... | Ilja Richter: Erspare mir im Internet sehr viel Ärger. Berlin (dpa) - Der Autor, Schauspieler und Moderator Ilja Richter lässt die Finger weg von Social-Media-Plattformen. "Ich tausche mich im Internet nicht mit den Menschen aus, die mich entweder mögen oder nicht mögen", sagte Richter der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor seinem 70. Geburtstag an diesem Donnerstag (24. November). "Ehe ich mich versehe, muss ich mich da eventuell mit Shitstorms befassen."
Richter sieht gute Gründe für seine Abstinenz. "Damit erspare ich mir sehr viel Ärger, vielleicht verpasse ich auch einen gewissen Spaß, das mag ja sein. Aber ich habe so viel Spaß an so vielen Dingen, dass ich das nicht austesten will."
Obwohl Richter regelmäßig eine Kolumne im Internet veröffentlicht, beobachtet er die sozialen Netzwerken nach eigenen Angaben nicht. "Ich nehme zur Kenntnis, was man mir erzählt."
Richter, der von 1971 bis 1982 die Musiksendung "Disco" präsentierte, kann sich auch den damals sehr jungen Moderator nicht auf Social Media vorstellen. "Der junge Ilja Richter war ja noch altmodischer als der jetzt."
Sein damals konservatives Image resultierte auch aus seinem Outfit. In den Hippie-geprägten 70er Jahren präsentierte Richter seine Musiksendung mit Anzug, Hemd und Krawatte. "Der Anzug war mein Kampfanzug", urteilte Richter nun. "Ich habe ja gelitten drunter, dass viele Linke glaubten, ich wäre rechts, weil ich da Anzug trug."

17.11.2022 #13.22 | Münchner Kammerspiele präsentieren «Lurie´s Lyrics» | Tachles | ... die Multi-Media-Performance «Lurie´s Lyrics», die Texte des grossen Nonkonformisten und Holocaust-Überlebenden Boris Lurie zum Klingen bringt.

14.11.2022 #01:15 | München: Lurie's Lyrics und News from the Past an den Kammerspielen - Süddeutsche Zeitung | Wie geht man mit der Vergangenheit und der Erinnerung um? Sieben Wochen lang setzen sich die Kammerspiele mit dieser Frage auseinander. Diese Woche kommen zwei weitere Produktionen dazu. Von Yvonne Poppek | Der schwierige Blick zurück.

Sie nähern sich in einer "experimentelle Bühnenproduktion" dem Künstler Boris Lurie:
Jost Hecker, Zoro Babel, Julia Wahren und Leo Gmelch (v. li.9(Foto: Judith Buss)
Manchmal muss man genauer hinsehen, um den großen Bogen zu entdecken. Zum Beispiel diesen hier im Oktober-Spielplan der Kammerspiele: Der Blick zurück zeigt, dass zuerst Regisseurin Anna Smolar in "Hungry Ghosts" mit ihren Schauspielern untersucht hat, wie persönliche Traumata an die nächsten Generationen weitergegeben werden. Tags darauf setzte sich die chilenische Kompanie "La Resentida" mit der gewaltsamen Unterdrückung der Proteste 2019 in ihrer Heimat auseinander. Es folgte die wunderbare Produktion "Les statues rêvent aussi", die sich mit kolonialer Raubkunst befasste. Dazwischen Abende zum Thema Nationalsozialismus.
Der Bogen? Es ist eine ganze Reihe an Inszenierungen, Lesungen oder Gesprächen, die die Kammerspiele seit dem 22. Oktober unter "Erinnerung als Arbeit an der Gegenwart" zusammenfassen. Das siebenwöchige Projekt verknüpft Vergangenheit und Gegenwart. Eine der Leitfragen formuliert Dramaturg Martin Valdés-Stauber so: "Was können verschiedene künstlerische Strategien zur Erinnerungsarbeit beitragen?" In dieser Woche kommen nun zwei weitere künstlerische Ansätze hinzu, um diese Frage zu beantworten.

11.11.2022 #22:56 | „Art After the Shoah“: Ludwig Museum zeigt Schrecken des Holocaust in Bildern von Boris Lurie und Wolf Vostell | Rhein-Zeitung | Hier der in der Sowjetunion geborene Boris Lurie (1924–2008), der den Holocaust in verschiedenen Konzentrationslagern überlebte, während die Nazis den ... | „Art After the Shoah“ | In Zeiten zunehmender Geschichtsvergessenheit, in denen Corona-Gegner bedenkenlos an der Seite von Rechtsradikalen marschieren, scheint das stete Erinnern an den Holocaust – leider – notwendiger denn je. Das Koblenzer Ludwig Museum stellt sich dieser Aufgabe nun in seiner neuen Ausstellung „Art After the Shoah“. Für den Besucher über weite Strecken keine leichte Kost – und doch unbedingt sehenswert. ►mehr

29.10.04:20 #04:20 | Otto Nagel: Nah am Volk und der Avantgarde (nd-aktuell.de) | ND | Erst kürzlich war die von Gillen kuratierte Ausstellung mit Werken von Wolf Vostell und Boris Lurie in Berlin-Dahlem zu sehen und wird demnächst ... | von Matthias Reichelt | Eine kleine, aber feine Ausstellung mit Ölmalerei und Pastellkreidezeichnungen des Berliner Künstlers und Kommunisten Otto Nagel (1894 – 1967) ist momentan im Dachgeschoss des Museums Eberswalde zu sehen. Sie ist zusammengestellt aus dem Archivbestand der Akademie der Künste Berlin. Aus konservatorischen Gründen sind Nagels Werke nur gedimmtem Licht ausgesetzt. Unter ihnen befindet sich etwa die wunderbare Szene mit den noch unzerstörten und ineinandergeschachtelten Altbauten der Berliner Fischerinsel, kurz vor ihrem Abriss. Nagel nannte seine Pastellkreidezeichnung 1965 unverhohlen deutlich »Abschied vom Fischerkiez IV«.
Er war nicht nur Chronist eines proletarischen Berlins, sondern auch der Stadtarchitektur und Kritiker des Abrisses historischer Ensembles. Architektonisch wichtige Zeugnisse fielen allzu oft, in der DDR wie auch in der BRD, einem unbedingten Modernisierungswahn zum Opfer.
Auch wenn die Ausstellung nicht mit gänzlich unbekannten Bildern überraschen kann, hält der begleitende Katalog, herausgegeben vom produktiven und umtriebigen Kunsthistoriker und Kurator Eckhart Gillen, neue Erkenntnisse über das Leben von Nagel bereit. Erst kürzlich war die von Gillen kuratierte Ausstellung mit Werken von Wolf Vostell und Boris Lurie in Berlin-Dahlem zu sehen und wird demnächst in Koblenz gezeigt. Otto Nagel, im Berliner Wedding als fünftes Kind einer Arbeiterfamilie geboren, entwickelte früh ein zeichnerisches Talent, begann eine Lehre als Mosaik- und Glasmaler, arbeitete dann aber unter anderem als Lackierer. 1912 trat er der SPD bei, verweigerte den Kriegsdienst an der Front und wurde dafür in Köln interniert. Als Mitglied des Soldatenrates kehrte er zurück nach Berlin, wo er erst der USPD und schließlich der KPD beitrat.

26.10.2022 #12:15 | «Photobook Week Aarhus 2022» mit diversem Programm | Tachles | Art aus New York mit Arbeiten von drei Mitgründern: Boris Lurie, Sam Goodman und Stanley Fisher. Die Bewegung wurde in den 1960er Jahren gegründet ...

24.10.2022 | boris lurie | berlin daily (bis 30.10.22) | art in berlin | Wolf Vostell im Dialog mit Boris Lurie, Kunsthaus Dahlem Foto: kuag (Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung KUNST NACH DER SHOAH Wolf Vostell im ...

22.09.2022 #10:23 | boris lurie | Nachrichten | Kunst in Berlin: Beiträge zur aktuellen Kunstszene - Tagesspiegel | Gewalt und Konsum: Eine Berliner Ausstellung zeigt die wütende Aufarbeitung der Shoah durch die Künstlerfreunde Wolf Vostell und Boris Lurie...

17.09.2022 #02.23 | Boris Lurie | Nachrichten | Berlin Art Week und mehr (Teil 4)
art in berlin | Mehr zu diesem spannenden Künstler gibt es aktuell in der Ausstellung Kunst nach der Shoah. Wolf Vostell im Dialog mit Boris Lurie im Kunsthaus Dahlem ...

Raumansicht: Boris Lurie Art Foundation / POSITIONS Berlin Art Fair, Foto kuag
Die andere Sonderausstellung widmet sich dem Werk des US-amerikanischen Künstlers Boris Lurie (1924 - 2008), dem Mitbegründer der New Yorker NOart!-Bewegung. Lurie, geprägt durch seine Erfahrungen im KZ, wollte ästhetische Maßstäbe untergraben und der gefälligen Konsumierbarkeit von Kunst etwas entgegensetzen.
Diese Ausstellung entsteht in Kooperation und mit Unterstützung der Boris Lurie Art Foundation, Clifton, New Jersey. Mehr zu diesem spannenden Künstler gibt es aktuell in der Ausstellung Kunst nach der Shoah. Wolf Vostell im Dialog mit Boris Lurie im Kunsthaus Dahlem. Hier haben wir über die Ausstellung ausführlich berichtet.

13.09.2022 #23:49 | Boris Lurie | Nachrichten | Kunstmesse „Positions“ im Flughafen Tempelhof: Höhepunkte der Kunst - der Freitag | Vor allem die Schau mit Arbeiten des 2008 verstorbenen US-amerikanischen NO!art-Künstlers Boris Lurie sticht dabei heraus – aber auch die ... | Zu verkaufen. Berlin Art Week Bauhaus, No!art, Kryptokunst: Bei der „Positions Berlin Art Fair“ in Tempelhof gibt es ein interessantes Angebot.
Nun beginnt er, der Berliner Kunstherbst. Eingeleitet wird er nicht zuletzt durch die neunte Ausgabe der „Positions Berlin Art Fair“ als Partner der Berlin Art Week. Mit dabei im Hangar 5 – 6 des Flughafens Tempelhof: 88 Galerien aus 20 Ländern mit zeitgenössischer und moderner Kunst. Dazu ein Rahmenprogramm mit Sonderausstellungen, Preisverleihungen und Talks.
Vor allem die Schau mit Arbeiten des 2008 verstorbenen US-amerikanischen NO!art-Künstlers Boris Lurie sticht dabei heraus – aber auch die Sonderpräsentation „NFT Positions“ in Zusammenarbeit mit der Frankfurter Galerie Greulich könnte vor dem Hintergrund einer immer schwieriger werdenden Marktsituation für die noch vor wenigen Monaten arg gehypte Kryptokunst interessant werden. Launig könnte auch der „Trash Talk“ am Samstag, dem 17. September, um 17 Uhr werden, bei dem die Messedirektoren Heinrich Carstens und Kristian Jarmuschek über „alles außer Kunstmarkt“ sprechen. --- Marc Peschke

02.09.2022 #10:14 | Boris Lurie | Boris Lurie und Wolf Vostell: Schock-Therapeuten in Arno Brekers Atelier | fr.de | Im Kunsthaus Berlin-Dahlem treffen sich postum zwei vom Holocaust geprägte Freunde: Wolf Vostell und Boris Lurie. | Von: Ingeborg Ruthe |

„NO!art“, Kiste eines Holocaust-Überlebenden. © Boris Lurie
Im Kunsthaus Berlin-Dahlem treffen sich postum zwei vom Holocaust geprägte Freunde: Wolf Vostell und Boris Lurie.
Berlin-Dahlem, Käuzchensteig 8, ein beliebtes Kunsthaus seit 2015. Freitagnachmittag ist es ungewöhnlich still in den hohen Hallen. Draußen heizt die Sonne, drinnen im Kühlen senken die Besucher die Stimme. Selbst die Kinder flüstern nur. Als habe das, was an den Wänden hängt, auf Podesten oder in Vitrinen steht, ihnen die Stimmen genommen.
Darf man den Begriff Genius Loci in den Mund nehmen? Geist des Ortes? Der hehre Begriff brennt auf der Zungenspitze. Denn einst war das Ausstellungsgebäude das Staats-Atelier des NS-Bildhauers Arno Breker. Doch 77 Jahre nach dem Ende des unseligen Tausendjährigen Reiches haben Künstler diesen Ort gründlich entnazifiziert. Sie haben ihn stattdessen mit dem Geist von Frieden, Humanismus, Demokratie und Kunst-Freiheit gefüllt.
Einer der konsequentesten Mieter war der aus Leverkusen stammende Wahlberliner Wolf Vostell (1932–1998). Ein politischer Fluxus-Pionier, Vorreiter des Happenings und der Medienkunst, den es in die Frontstadt zog. In diesen „tragischen Luftkurort Berlin“, wie er Berlin nannte. Diesen Ort, „der ja unsere Geschichte beinhaltet. Und diese Geschichte verarbeite ich in meinen Bildern und in meinen Objekten“.
Hier verschaffte er seiner Konsumgesellschafts-Kritik im Wirtschaftswunder-Nachkriegs-Westen mit geradezu rabiaten Anti-Denkmalen Ausdruck. So zwei in Beton eingegossene Cadillac-Karossen am Ende des Kudamms. Aber auch in vielen Happening-Aktionen, in denen seine geistige Wahlverwandtschaft zu Joseph Beuys deutlich wurde. Er versenkte Fernsehapparate der westdeutschen Wohlstandsbürger in Beton, benannte eine ganze Werkserie um 1980 „Endogene Depression“, in der er die einbetonierten „Lieblingsobjekte“ der Konsumgesellschaft“ vorführte: TV, Automobil, Flugzeug, Musikgerät. Es waren überdeutliche Statements gegen eine Massen-Medialisierung und gegen die Manipulation sowie Suggestion von konsumtiven Bedürfnissen. Klar, dass gewisse Kreise ihn als Spaßverderber beschimpften, ihn am liebsten in die Mangel-Gesellschaft des Ostens verjagt hätten.
Und er war ein Maler, der noch im Jahr vor seinem Tod das Monumentalbild „Shoah“ mit Acrylfarben und Betonmatsch auf die drei Holztafeln des riesigen Triptychons krachte. Er hatte den vormals „kontaminierten“ Dahlemer Arbeitsort 1984 bezogen. Damals hatte er sein erstes Environment, das Raumkunstwerk „Schwarzes Zimmer“, längst gebaut. Der Holocaust war sein großes Thema. Auch deshalb kleidete er sich – heute würde man ihm womöglich kulturelle Aneignung unterstellen – in reiferen Jahren wie ein alter jüdischer Gelehrter. Aber Wolf Vostell war nicht religiös. Er betrachtete die Kunst als seine Religion.
Was Unwissende für exaltiert hielten, war sein Anliegen. Wie die 1990 wiedervereinigte deutsche Gesellschaft mit all ihren Verdrängungsmechanismen. Eben an das erinnern, was nie vergessen werden darf. Dass Vostell zu den bedeutendsten deutschen Künstlern des 20. Jahrhunderts zählt, begriff das ostdeutsche Publikum in der Ausstellung „Deutschlandbilder“ 1997 sofort. Da sahen wir die Decollagen aus dem „Schwarzen Zimmer“ wie „Deutscher Ausblick“, „Treblinka“ und „Auschwitz Scheinwerfer 568“.
Nun stehen wir im Kunsthaus Dahlem wieder davor. Vostell würde im Oktober 90 Jahre alt. Anlass für die Direktorin Dorothea Schöne sowie den Gastkurator und Vostell-Kenner Eckhart Gillen, all das auszubreiten, was diesen intensiven Künstler zur Phänomenologie des Verdrängten bis zuletzt umgetrieben hat. Selbst dann noch, als er mit seiner spanischen Frau Mercedes zwischen Malpartida de Cáceres in der surrealen Landschaft der Extremadura und Berlin pendelte. Sieben Meter breit ist das Bild „Shoah 1492–1945“. Es ist den einst aus Spanien und anderen Ländern vertriebenen Juden wie den vom NS-Regime Ermordeten gewidmet.
Ein Betonpfeiler, dessen oberer Teil an den aufgerissenen Rachen einer Bestie denken lässt, stürzt auf ein abstraktes Gewirr von Leibern. Ein zweiter Pfeiler versinkt in der heillos zerstörten Körpermasse. Nicht von ungefähr lehnte der Maler die Wucht und Brutalität an Picassos Anti-Kriegs-Bild „Guernica“ an. Für ihn waren die erschlagenen Menschen und der in der Ausstellung unmittelbar gegenüber platzierte Auschwitz-Scheinwerfer „Dasselbe in Grün“, Zeugen eines perfiden Machtsystems, dessen „Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch …“, wie Brecht warnte.
Vostell lernte den in Riga aufgewachsenen jüdischen Maler Boris Lurie (1924–2008) in den 1960er Jahren kennen. Es war ein Bruder im Geiste, der die Schrecken der Schoah und des Holocaust am eigenen Körper ertragen musste. Seine Familie wurde ermordet. Nur er und sein Vater überlebten das Magdeburger NS-Außenlager Buchenwald. Lurie emigrierte nach New York und gründete dort 1959 die „NO!art“. Das ist eine ruppige, packende Bildsprache, oft mit direkter Bezugnahme auf die Schoah und die oberflächliche, unbedenkliche Konsumkultur der Nachkriegszeit. Die beiden standen im intensiven Kontakt. Lurie wollte kein Mitleid für die Opfer der Schoah. Seine Kunst setzte auf eine Art Schock-Therapie. Mit dokumentarischen Fotos der Gaskammern, nackten Leichenbergen in den Todeslagern, gelben Davidsternen, Hakenkreuzen, NS-Bütteln und aufreizenden Pin-up-Girls als Produkten des gleichen inhumanen Systems. Als Malerei auf einer Transportkiste, auf Fluchtkoffern und Leinwänden.
Kurator Eckhart Gillen verschränkt Luries Kunst mit den kruden Bildwerken Vostells, um unser Erschrecken, das beide wollten, abermals zu erreichen. In Luries collageartigem Gemälde „A Jew Is Dead“ von 1964 löst die erbarmungslose Direktheit der Mischung aus Symbolen, Schrift und Körperteilen den Schock aus. Und dann dieser dunkle Raum, vor dem das Schild „Betreten auf eigene Gefahr“ hängt. Vostells „Thermo-Elektronischer Kaugummi“ ist eine Installation, wo Kau- und Schmatzgeräusche durch einen an die Wange geklebten Mikrosensor in den Lautsprecher eines Koffers übertragen werden. Stacheldraht links und rechts, und man tritt auf tausende Löffel und Gabeln. KZ-„Flair“ trifft auf Frucht-Kaugummi-Genuss. Lagerhölle und Alltagsbanalität. Geschichte, jedoch auch Gegenwart – in den grauenvollen Flüchtlingslagern dieser Welt, in Putins Krieg gegen die Ukraine.
Vostell und Lurie – die Künstlerfreude wurden zu ihrer Zeit von Liebhabern der lukullischen, gefälligen Kunst angegriffen, weil sie viele Betrachter aus ihrer bequemen Selbstzufriedenheit rissen. Weil sie mit ihren „hässlichen Bildern“ nervten. Beide wurden akzeptiert, verstanden, verehrt oder aber abgelehnt. Jetzt begreifen wir, dass ihre Kunst an Brisanz nichts eingebüßt hat.
Kunsthaus Dahlem, Berlin, Käuzchensteig 8: bis 30.10., Katalog 20 Euro.

27.09.2022 | Boris Lurie | Nachrichten | Sonderausstellung BORIS LURIE auf der POSITIONS Berlin Art Fair | art in berlin | Kuratiert wird die Ausstellung von Rafael Vostell, Senior Advisor der Boris Lurie Art Foundation und Heinrich Carstens, Direktor der Position Berlin. | Sonderausstellung BORIS LURIE auf der POSITIONS Berlin Art Fair. Flughafen Tempelhof Hangar 5-6. | 15. - 18. September 2022. Opening Reception Donnerstag 15. September 2022 #18 - 21 Uhr. | Im Rahmenprogramm der POSITIONS Berlin Art Fair: Gespräch über Boris Lurie und NO!art. Freitag, 16. September 2022, 16 Uhr. - Dr. Beate Reifenscheid (Direktorin Ludwig Museu Koblenz) und Dr. Thomas Heyden (Kurator Neues Museum Nürnberg. Präsentation: Rafael Vostell (Senior Advisor der Boris Lurie Art Foundation). Die New Yorker Boris Lurie Art Foundation freut sich, auf der Positions Berlin erstmalig auf einer deutschen Kunstmesse präsent zu sein und ausgewählte Werke aus den frühen 1960er Jahren von Boris Lurie (1924, Leningrad – 2008, New York) einem breiten Publikum vorstellen zu dürfen. Kuratiert wird die Ausstellung von Rafael Vostell, Senior Advisor der Boris Lurie Art Foundation und Heinrich Carstens, Direktor der Position Berlin.

Responsive image BORIS LURIE „No Posters Mounted“ 1963.
Offset print on wastepaper mounted on canvas. 221 x 172 cm. BLAF.000063
Boris Lurie (1924-2008) Boris Lurie wurde 1924 als jüngstes Kind von Schaina und Ilja Lurje in Leningrad (heute St.Petersburg) geboren. Seine Mutter war eine beliebte Zahnärztin, sein Vater ein erfolgreicher Geschäftsmann. Infolge der durch Stalin sanktionierten Konfiszierung seines Geschäfts flieht Ilja Lurie nach Riga. Ein Jahr nach der Geburt von Boris Lurie folgte der Umzug der Familie nach Riga. Boris Lurie besuchte das deutsche Gymnasiums in Riga. 1941 beim Einmarsch der deutschen in Riga, wurden an zwei Tagen, am 30. November und am 8 Dezember 1941, insgesamt über 25.000 Juden und Jüdinnen bei dem Massaker von Rumbula (ein Wald nahe Riga) von den deutschen und ihren lettischen Kollaborateuren ermordet. Darunter waren Boris Luries Großmutter, seine Mutter, seine Schwester Josephina und seine Jugendliebe Ljuba Treskunova. Boris und sein Vater wurden zuerst ins Ghetto von Riga und später in mehrere Arbeits- und Konzentrationslager verschleppt. Beide, Vater und Sohn, überlebten die Shoah und wurden am 18. April 1945 im Konzentrationslager Magdeburg-Polte von der U.S. Army befreit. Ein Jahr später emigrierten Boris Lurie und sein Vater Ilja nach New York.
In New York angekommen, sieht sich Boris Lurie gegenüber einer ignoranten amerikanischen Konsumgesellschaft konfrontiert, die vom Krieg und der Shoah nicht wissen will. Erst sehr viele Jahre später beginnt die Aufarbeitung dieses schrecklichen und unfassbaren Völkermord. Amerikanische Zeitschriften wie z.B. das LIFE magazine veröffentlichen Fotos der Gaskammern und anderen schrecklichen Verbrechen der Nazis und drucken diese Fotos in ihren Zeitschriften direkt neben Werbeanzeigen für Lippenstifte, Waschmittel und sonstiges. Diese direkte Gegenüberstellung der unfassbaren Verbrechen der Nazis in Verbindung mit Konsumgüter veranlasst Boris Lurie die kritische Aufarbeitung in seinen Bildern und Collagen. Lurie arbeitete an seinen komplexen Werken und Schriften bis zu seinem Tod im Jahr 2008.
borislurieart.org
virtualgallery.borislurieart.org
© Boris Lurie Art Foundation
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16.08.2022 #01:21 | Boris Lurie | Nachrichten | Kunsthaus Dahlem: Shoah, Pin-ups und Vietnamkrieg (nd-aktuell.de) | ND | Wolf Vostell arbeitete in Berlin, Boris Lurie in New York City. Eine Ausstellung im Berliner Kunsthaus Dahlem bringt die Werke der beiden ... | Wolf Vostell arbeitete in Berlin, Boris Lurie in New York City. Eine Ausstellung im Berliner Kunsthaus Dahlem bringt die Werke der beiden miteinander befreundeten Künstler zusammen. Rezension von Matthias Reichelt

Ausstellungsansicht im Kunsthaus Dahlem, rechts im Bild Wolf Vostells Triptychon
»Shoah 1492–1945« (1997)
Foto: VG Bild-Kunst/Gunter Lepkowski
Das große und hohe Ateliergebäude in Berlin-Dahlem für den Bildhauer Arno Breker, einem der in Nazi-Deutschland prominentesten »gottbegnadeten Künstler«, wurde auf Initiative von Albert Speer 1939 bis 1942 errichtet. Es sollte zur Produktion der Großskulpturen für die megalomane Umgestaltung der Reichshauptstadt »Germania« dienen, wurde aber kriegsbedingt kaum mehr genutzt. Das Gebäude überstand den Krieg ohne große Schäden und birgt seit 2015 in einem Teil das Kunsthaus Dahlem, einen Ausstellungsort unter der Leitung der Kunsthistorikerin Dorothea Schöne.
Was passierte in der Zwischenzeit? Just dort hatte neben anderen auch Wolf Vostell, 1932 geboren als Wolfgang Schäfer in Leverkusen, sein Atelier – von 1984 bis zu seinem Tod 1998. Vostell gehörte zu den wenigen Künstlern, die in Opposition zu der von Wirtschaftswunder, Kapitalismusaffirmation, Kaltem Krieg und Antikommunismus geprägten gesellschaftlichen Atmosphäre das damit verbundene Übertünchen, Beschweigen und Vergessen der NS-Verbrechen störten. Bereits 1967, zwei Jahre nach Ende des ersten Auschwitz-Prozesses in Frankfurt am Main, griff Vostell mit der Farbserigraphie »Treblinka« das Thema in drastischer Weise auf. Das Motiv zeigt nackte jüdische Frauen, kurz vor ihrer Erschießung in einer Senke. Mit einer rosaroten Linie, die oberhalb der Köpfe der Frauen entlangläuft, markierte Vostell nicht nur seinen, sondern auch den von ihm gewünschten Fokus der Betrachter. Mit »Treblinka« wollte Vostell vermutlich bewusst auf einen damals noch nicht so bekannten Ort der Massenvernichtung hinweisen. Allerdings basiert die Darstellung auf einem Foto, das der deutsche Polizist Gustav Hille in der Ukraine gemacht hatte. Er war im Oktober 1942 Augenzeuge der Massenexekution nach Auflösung des Ghettos in Misotsch in der westukrainischen Oblast Riwne geworden. Der Siebdruck von Vostell ist in der aktuellen Ausstellung im Kunsthaus Dahlem mit dem Titel »Kunst nach der Shoah. Wolf Vostell im Dialog mit Boris Lurie« zu sehen.
Dort ist auch, neben einbetonierten Fernsehern, die Vostells Kritik an dem Massenmedium zum Ausdruck bringen, die Fotoassemblage »Combs« (Kämme) von 1968 ausgestellt. Dafür nutzte der Künstler die berühmte Fotografie eines deutschen Polizisten, der 1942 in Ivanogorod, Ukraine, mit seinem Gewehr auf den Rücken einer Mutter anlegt, die ihr Kind in den Armen trägt. Entlang der Horizontlinie applizierte Vostell Kämme, markierte so auch die Schusslinie vom Täter zu den Opfern.
Boris Lurie, der Vostell 1964 bei dessen Fluxus-Happening in Great Neck, New York, kennenlernte, führte mit dem Berliner Künstler einen regen Briefverkehr bis zu dessen Tod. Während neben anderen Arbeiten das von Vostell hier an diesem Ort entstandene, über sechs Meter lange Gemälde-Triptychon »Shoah« von 1997 sowie ein großes, begehbares als KZ-Raum inszeniertes Environment gezeigt wird, ist Luries Kunst wesentlich weniger präsent. Sein Werk ist wie ein Appendix in einem hinteren Raum untergebracht. Somit ist der im Ausstellungstitel angekündigte Dialog erschwert.
Lurie, der 1924 in eine jüdisch-bürgerlichen Familie in Leningrad geboren wurde, wuchs in Riga auf, da dem Vater als Unternehmer die Tätigkeit in der Sowjetunion unmöglich gemacht wurde. Er verlegte sein Geschäft nach Riga und die Familie zog nach. Unter der deutschen Besatzung wurden Mutter, Großmutter und eine Schwester Luries sowie seine erste Jugendliebe Ljuba Treskunova im Herbst 1941 zusammen mit rund 28 000 anderen Frauen, Kindern und Alten mithilfe von lettischen Polizisten auf deutschem Befehl erschossen. Luries andere Schwester überlebte, da sie sich in Italien befand und in die USA auswanderte. Boris Lurie und sein Vater Ilja überlebten als Zwangsarbeiter mehrere Lager und wurden 1945 im April in den Polte-Werken, Magdeburg, einem Außenlager des KZ Buchenwald, befreit. Sie emigrierten 1946 nach New York City und Lurie begann dort seine künstlerische Karriere, verkaufte aber wenig und hielt sich mit Werbearbeiten über Wasser.
Anfangs thematisierte er in figurativen Gemälden das erlebte Grauen. Nach nur kurzer Zeit wandte er sich einer »freieren« Form der Kunst zu, fuhr aber fort, seine Erinnerungen in immer drastischerer Form zu behandeln und stellte sie in einen größeren politischen Kontext. Er entwickelte in den 1950er Jahren eine ganze Serie von »Dismembered Women« (zerstückelte Frauen), die einerseits deutlich in Zusammenhang mit dem erlebten Verlust stehen und andererseits auf die kapitalistische Vermarktung des weiblichen Körpers anspielen. Die Malerei kombinierte Lurie sukzessive mit der Technik der Collage. Pin-ups verband er mit den NS-Gräueln, erinnerte aber auch an die US-imperialistischen Verbrechen zum Beispiel in Vietnam. Lurie übernahm mit Sam Goodman und Stanley Fisher die March Gallery, einen Projektraum im Souterrain eines Gebäudes in der Lower East Side, der vorher von Elaine de Kooning und anderen betrieben wurde. Dort sammelten sie weitere Künstler*innen unter dem Namen NO!art um sich.
Neben den thematischen Parallelen von Vostell und Lurie – beide erinnern in ihrem Werk an die Shoah und kritisierten auch den Vietnamkrieg – einte sie auch die ablehnende Haltung gegenüber dem Kunstmarkt, auf dem notwendig das Gefällige und Akzeptierte erfolgreich waren und allzu kritische Positionen ignoriert wurden. Vostell äußerte solche Kritik in Interviews und Texten, Lurie schuf zusammen mit Sam Goodman Skulpturen in Form und Farbe von menschlichen Exkrementen als ultimativen Ausdruck ihrer Geringschätzung des Kunstbetriebs. In ihrer Ausstellung »NO-Sculpture Show« 1964 gaben sie diesen Skulpturen sogar Namen von Sammler*innen und Galerist*innen wie »Shit of Castelli« (nach Leo Castelli) und »Shit of Sonnabend« (nach Ileana Sonnabend).
Dank eines ererbten Vermögens nach dem Tod des Vaters 1964 und eigener Börsenspekulation konnte Lurie sich eine völlig unabhängige Position gegenüber dem Kunstbetrieb bewahren und bezahlte dafür mit einer geringen Bekanntheit. So wurde eine zweiteilige Ausstellung von Lurie und den NO!art-Künstler*innen der NGBK in Berlin 1995 bis auf wenige Ausnahmen von der Presse weitestgehend ignoriert. Luries Ästhetik hatte viel mit Punk zu tun und brachte viele Phänomene massenmedialer Präsenz mit Spuren von Malerei in überbordender Weise auf großen Tableaus zusammen. In einigen Werken jedoch bediente Lurie sich einer starken Reduktion, die an Marcel Duchamps Ready Mades erinnert. Unter einem Zeitungsbild eines Leichenbergs aus dem KZ Buchenwald auf einem Lastwagen fügte er lakonisch Titel, Technik, Jahr und Autor hinzu: »Flatcar, Assemblage, 1945 by Adolf Hitler«.
»Kunst nach der Shoah. Wolf Vostell im Dialog mit Boris Lurie«, bis 30. Oktober, Kunsthaus Dahlem, Berlin.

08.08.2022 #23:09 | Boris Lurie | Nachrichten | Kunst nach der Schoah: Auschwitz-Scheinwerfer und Hakenkreuze mit Pin-up-Girls - Berliner Zeitung | Im Kunsthaus Dahlem treffen sich postum zwei vom Holocaust geprägte Freunde: Wolf Vostell und Boris Lurie. Vor ihren Arbeiten stockt einem fast ... | Kunst nach der Schoah: Auschwitz-Scheinwerfer und Hakenkreuze mit Pin-up-Girls. Im Kunsthaus Dahlem treffen sich postum zwei vom Holocaust geprägte Freunde: Wolf Vostell und Boris Lurie. Vor ihren Arbeiten stockt einem fast der Atem. Rezension von Ingeborg Ruthe.

Ausschnitt aus Wolf Vostells sieben Meter breitem Gemälde „Shoah 1942–1945“, gemalt 1997 im damals vom Senat gemieteten Berliner Atelier am Käuzchensteig 8 – heute Kunsthaus Dahlem.VG Bildkunst Bonn 2022/The Wolf Vostell Estate
Käuzchensteig 8, Dahlem, ein beliebtes Kunsthaus seit 2015. Freitagnachmittag ist es ungewöhnlich still in den hohen Hallen. Draußen heizt die Sonne, drinnen im Kühlen senken die Besucher die Stimme. Selbst die Kinder flüstern nur. Als habe das, was an den Wänden hängt, auf Podesten oder in Vitrinen steht, ihnen die Stimmen genommen.
Darf man den Begriff Genius Loci in den Mund nehmen? Geist des Ortes? Der hehre Begriff brennt auf der Zungenspitze. Denn einst war das Ausstellungsgebäude das Staats-Atelier des NS-Bildhauers Arno Breker. Doch 77 Jahre nach dem Ende des unseligen Tausendjährigen Reiches haben Künstler diesen Ort gründlich entnazifiziert. Sie haben ihn stattdessen mit dem Geist von Frieden, Humanismus, Demokratie und Kunst-Freiheit gefüllt.
Einer der konsequentesten Mieter war der aus Leverkusen stammende Wahlberliner Wolf Vostell (1932–1998). Ein politischer Fluxus-Pionier, Vorreiter des Happenings und der Medienkunst, den es in die Frontstadt zog. In diesen „tragischen Luftkurort Berlin“, wie er Berlin nannte. Diesen Ort, „der ja unsere Geschichte beinhaltet. Und diese Geschichte verarbeite ich in meinen Bildern und in meinen Objekten“.

Boris Lurie: „NO!art“, die Kiste eines Holocaust-Überlebenden, Emigrant in New York und Vostells Freund Boris Lurie
Hier verschaffte er seiner Konsumgesellschafts-Kritik im Wirtschaftswunder-Nachkriegs-Westen mit geradezu rabiaten Anti-Denkmalen Ausdruck. So zwei in Beton eingegossene Cadillac-Karossen am Ende des Kudamms. Aber auch in vielen Happening-Aktionen, in denen seine geistige Wahlverwandtschaft zu Joseph Beuys deutlich wurde. Er versenke Fernsehapparate der westdeutschen Wohlstandsbürger in Beton, benannte eine ganze Werkserie um 1980 „Endogene Depression“, in der er die einbetonierten „Lieblingsobjekte“ der Konsumgesellschaft“ vorführte: TV, Automobil, Flugzeug, Musikgerät. Es waren überdeutliche Statements gegen eine Massen-Medialisierung und gegen die Manipulation sowie Suggestion von konsumtiven Bedürfnissen. Klar, dass gewisse Kreise ihn als Spaßverderber beschimpften, ihn am liebsten in die Mangel-Gesellschaft des Ostens verjagt hätten.

Sie waren Freunde fürs Leben und sind nun in dieser Dahlemer Schau auch postum vereint: Boris Lurie (links) und Wolf Vostell, bei ihm zu Besuch in New York, 1960er-Jahre.Kunsthaus Dahlem
Und er war ein Maler, der noch im Jahr vor seinem Tod das Monumentalbild „Shoah“ mit Acrylfarben und Betonmatsch auf die drei Holztafeln des riesigen Triptychons krachte. Er hatte den vormals „kontaminierten“ Dahlemer Arbeitsort 1984 bezogen. Damals hatte er sein erstes Environment, das Raumkunstwerk „Schwarzes Zimmer“, längst gebaut. Der Holocaust war sein großes Thema. Auch deshalb kleidete er sich – heute würde man ihm womöglich kulturelle Aneignung unterstellen – in reiferen Jahren wie ein alter jüdischer Gelehrter. Aber Wolf Vostell war nicht religiös. Er betrachtete die Kunst als seine Religion. Was Unwissende für exaltiert hielten, war sein Anliegen. Wie die 1990 wiedervereinigte deutsche Gesellschaft mit all ihren Verdrängungsmechanismen. Eben an das erinnern, was nie vergessen werden darf. Dass Vostell zu den bedeutendsten deutschen Künstlern des 20. Jahrhunderts zählt, begriff das ostdeutsche Publikum in der Ausstellung „Deutschlandbilder“ 1997 sofort. Da sahen wir die Decollagen aus dem „Schwarzen Zimmer“ wie „Deutscher Ausblick“, „Treblinka“ und „Auschwitz Scheinwerfer 568“.
Nun stehen wir im Kunsthaus Dahlem wieder davor. Vostell würde im Oktober 90 Jahre alt. Anlass für die Direktorin Dorothea Schöne sowie den Gastkurator und Vostell-Kenner Eckhart Gillen, all das auszubreiten, was diesen intensiven Künstler zur Phänomenologie des Verdrängten bis zuletzt umgetrieben hat. Selbst dann noch, als er mit seiner spanischen Frau Mercedes zwischen Malpartida de Cáceres in der surrealen Landschaft der Extremdura und Berlin pendelte. Sieben Meter breit ist das Bild „Shoah 1492–1945“. Es ist den einst aus Spanien und anderen Ländern vertriebenen Juden wie den vom NS-Regime Ermordeten gewidmet.

Boris Lurie „A Jew is Dead“, 1964. Was bleibt, sagt der bemalte Koffer.
Boris Lurie Art Foundation
Ein Betonpfeiler, dessen oberer Teil an den aufgerissenen Rachen einer Bestie denken lässt, stürzt auf ein abstraktes Gewirr von Leibern. Ein zweiter Pfeiler versinkt in der heillos zerstörten Körpermasse. Nicht von ungefähr lehnte der Maler die Wucht und Brutalität an Picassos Anti-Kriegs-Bild „Guernica“ an. Für ihn waren die erschlagenen Menschen und der in der Ausstellung unmittelbar gegenüber platzierte Auschwitz-Scheinwerfer „Dasselbe in Grün“, Zeugen eines perfiden Machtsystems, dessen „Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch …, wie Brecht warnte.
Vostell lernte den in Riga aufgewachsenen jüdischen Maler Boris Lurie (1924–2008) in den 1960er-Jahren kennen. Es war ein Bruder im Geiste, der die Schrecken der Schoah und des Holocaust am eignen Körper ertragen musste. Seine Familie wurde ermordet. Nur er und sein Vater überlebten das Magdeburger NS-Außenlager Buchenwald. Lurie emigrierte nach New York und gründete dort 1959 die „NO!art“. Das ist eine ruppige, packende Bildsprache, oft mit direkter Bezugnahme auf die Schoah und die oberflächliche, unbedenkliche Konsumkultur der Nachkriegszeit. Die beiden standen im intensiven Kontakt. Lurie wollte kein Mitleid für die Opfer der Schoah. Seine Kunst setzte bewusst auf eine Art Schock-Therapie. Mit dokumentarischen Fotos der Gaskammern, nackten Leichenbergen in den Todeslagern, gelben Davidsternen, Hakenkreuzen, NS-Bütteln und aufreizenden Pin-up-Girls als Produkten des gleichen inhumanen Systems. Als Malerei auf einer Transportkiste, auf Fluchtkoffern und Leinwänden.

Wolf Vostell: „Endogene Depression“ (Version Los Angeles), 1980,
Zement auf Fernsehgerät auf Arztschrank.
VG BIldkunst Bonn 2022/ THE WOLF VOSTELL ESTATE
Kurator Eckhart Gillen verschränkt Luries Kunst mit den kruden Bildwerken Vostells, um unser Erschrecken, das beide wollten, abermals zu erreichen. In Luries collageartigem Gemälde „A Jew ist Dead“ von 1964 löst die erbarmungslose Direktheit der Mischung aus Symbolen, Schrift und gefolterten Körperteilen den Schock aus. Und dann dieser dunkle Raum, vor dem das Schild „Betreten auf eigene Gefahr“ hängt. Vostells „Thermo-Elektronischer Kaugummi“ ist eine Installation, wo Kau- und Schmatzgeräusche durch einen an die Wange geklebten Mikrosensor in den Lautsprecher eines Koffers übertragen werden. Stacheldraht links und rechts, und man tritt auf Tausende Löffel und Gabeln. KZ-„Flair“ trifft auf Frucht-Kaugummi-Genuss. Lagerhölle und Alltagsbanalität. Geschichte, jedoch auch Gegenwart – in den grauenvollen Flüchtlingslagern dieser Welt, in Putins Krieg gegen die Ukraine.
Vostell und Lurie – beide Künstlerfreude wurden zu ihrer Zeit von Liebhabern der lukullischen, gefälligen Kunst angegriffen, weil sie viele Betrachter aus ihrer bequemen Selbstzufriedenheit rissen. Weil sie mit ihren „hässlichen Bildern“ auf noch immer alltägliche Gewalt und Menschenverachtung nervten. Beide wurden akzeptiert, verstanden, verehrt oder aber abgelehnt. Jetzt begreifen wir, dass ihre Kunst an Brisanz nichts eingebüßt hat.
Kunsthaus Dahlem, Käuzchensteig 8, bis 30.10., Mi–Mo 11–17 Uhr. Katalog 20 Euro

26.07.2022 #23:26 | Boris Lurie | Nachrichten | Wolf Vostell und Boris Lurie im Kunsthaus Dahlem: Betreten auf eigene Gefahr | Tagesspiegel | Gewalt und Konsum: Eine Berliner Ausstellung zeigt die wütende Aufarbeitung der Shoah durch die Künstlerfreunde Wolf Vostell und Boris Lurie. |

Boris Lurie: A Jew is Dead
Wolf Vostell und Boris Lurie im Kunsthaus Dahlem: Betreten auf eigene Gefahr. Gewalt und Konsum: Eine sBerliner Ausstellung zeigt die wütende Aufarbeitung der Shoah durch die Künstlerfreunde Wolf Vostell und Boris Lurie. ezension von Gunda Bartels: Metallenes Knirschen, piksiges Rascheln? Wie soll man die grellen Geräusche beschreiben, die entstehen, wenn man durch Wolf Vostells Installation „Thermo-Elektronischer Kaugummi“ geht. Vom Kaugummi, dessen Schmatzgeräusche mittels eines an die Wange geklebten Mikrosensors in den Lautsprecher eines mitzunehmenden Koffers übertragen werden, gar nicht zu reden.
Der Raum ist düster, draußen hängt ein Schild „Betreten auf eigene Gefahr“. Stacheldrahtzäune links und rechts lassen KZ-Assoziationen aufkommen. Das gruselige Gefühl, auf 13 000 Löffeln und Gabeln zu gehen, wird vom „Juici Fruit“-Gummi konterkariert, das als Symbol einer alles banalisierenden kapitalistischen Lebensweise fungiert. Ja, es sind Analogien der Siebzigerjahre, mit denen der Künstler hier arbeitet. Trotzdem hat die Installation absolut nichts von ihrer dreisten Wucht verloren. Im Gegenteil: Die Bilder von Gewalt und Tod wirken tragisch aktuell, auch wenn der Krieg in der Ukraine täglich andere liefert.
Schocktherapie, aber künstlerisch
Es ist eine künstlerische Schocktherapie, die das Kunsthaus Dahlem in der Ausstellung „Kunst nach der Shoah. Wolf Vostell im Dialog mit Boris Luri“", den Besucher:innen verordnet, die auch am Eingang vor „verstörenden Bildern“ gewarnt werden. Vor Aufnahmen von halb verhungerten Konzentrationslager-Häftlingen und Leichen nämlich, die die Künstlerfreunde Vostell und Lurie immer wieder in ihre wütende Aufarbeitung des Holocaust einweben.
Wolf Vostell, geboren 1932 und Mitgründer der Fluxus-Bewegung, gehört zu den bedeutenden deutschen Künstlern des 20. Jahrhunderts. Boris Lurie wird 1924 in Leningrad geboren, wächst in Riga auf und erlebt als Jude die nationalsozialistische Vernichtungsmaschinerie am eigenen Leib.
Die Frauen seiner Familie werden ermordet, der Vater und er ins Konzentrationslager verschleppt und 1945 befreit. Lurie wandert nach New York aus, wo er 1959 die NO!art-Bewegung ins Leben ruft und bis zu seinem Tod 2008 als Künstler und Autor lebt.
Gegen den arrivierten Kunstbetrieb, gegen die Selbstgefälligkeit der Konsumgesellschaft und vor allem: gegen das Vergessen. Mit diesen Stoßrichtungen sind Lurie und Vostell Brüder im Geiste. Vostell wirkte mit seinen Skulpturen, Objektkästen, Gemälden, Collagen und Happenings zeitlebens als Stachel im Fleisch der Bundesrepublik. Legendär ist der Sturm der Entrüstung, der sich 1987 in Berlin gegen seine einbetonierten Cadillacs am Rathenauplatz erhebt.
Als Vostell und Lurie sich 1964 bei einem Happening kennenlernen, funkt es sofort. Und ein fruchtbarer, auch in 94 Briefen dokumentierter künstlerischer Austausch beginnt. Das erzählt Dorothea Schöne, die Leiterin des Kunsthauses Dahlem. Schöne hat die Ausstellung auch als Hommage im Vorfeld des 90. Geburtstages des 1998 verstorbenen Vostells initiiert, der sich im Oktober jährt.

Kämme des Todes. Wolf Vostell, Siebdruck „Combs“ von 1968
Foto:VG Bild-Kunst,Bonn 2022
Dass Hakenkreuze und Judensterne, die Boris Lurie in seinen Collagen und Objekten aggressiv in Szene setzt, ausgerechnet hier, im ehemaligen Atelierhaus des NS-Bildhauers Arno Breker als eine Art Anti-Propaganda der zerstörerischen NS-Ideologie prangen, zieht der eindrücklichen Schau noch einen doppelten Boden ein.
Schon, dass die Stadt Berlin Wolf Vostell die heute als Café genutzte hohe Halle 1984 als Atelier auf Lebenszeit überträgt, gleicht einer Art Geisteraustreibung. Genauso wirkt nun die Bandbreite seiner Bildhauerarbeiten und Gemälde, die am ehemaligen Ort ihres Entstehens zu sehen ist.
Betonpfeiler stürzt auf ein Gewirr aus Leibern
Das sieben Meter lange Triptychon „Shoah 1492 - 1945“, das zugleich den einst aus Spanien vertriebenen Juden wie den vom NS-Regime Ermordeten gewidmet ist, ist der zentrale Hingucker. Vostell, der auch in Spanien, in Malpartida de Cáceres lebte, lässt auf dem 1997 entstandenen Gemälde einen Betonpfeiler auf ein abstraktes Gewirr von Leibern stürzen. Trotz der Wucht von Symbolik, Farben und Formen erinnert die Arbeit recht deutlich an Picasso. Da nehmen sich Vostells Objekte, in die der Pionier der Videokunst auch Fernseher einbaute, viel eigenständiger aus.
[Kunsthaus Dahlem, Käuzchensteig 12, bis 30. Oktober, Mi-Mo 11-17 Uhr]
Die beschränkte Halbwertzeit der Technik erweist sich allerdings als konservatorische Herausforderung, wie Dorothea Schöne sagt. Die Objektkästen mit den Minifernsehern, die ursprünglich aktuelle Nachrichten mit Abbildungen der Neuen Reichskanzlei oder einer zerbombten Stadt als Kontinuum menschlicher Gewalttätigkeit verknüpften, haben eine Dimension eingebüßt, weil die Dinger nicht mehr laufen. Da erweisen sich die mit Übermalungen von Zeitungsausschnitten arbeitenden Bilder „Stalingrad“ und „8. Mai 1945“ als zeitloser.
Anders als der Kollege Vostell arbeitet Boris Lurie nicht mit Abstraktionen, sondern kombiniert in seinen Collagen eins zu eins Aufnahmen von Pin-up-Girls der Sechziger mit KZ-Bildern. In beiden Fotografien, die Menschen zu Objekten degradieren, manifestieren sich nach seiner Überzeugung unmenschliche Systeme. Dass die nicht Geschichte sind, sondern fortbestehen, ist eine Überzeugung, die er mit Wolf Vostell teilt.
Nur dass sich der Jude Lurie mit dem heißen Herzen des Betroffenen über die Banalisierung der Shoah empört. Inklusive des beißenden Witzes, der ihn „From a happening, 1945 – by Adolf Hitler“ unter das Bild eines halb nackten, klapperdürren KZ-Häftlings schreiben lässt. So krass sieht es aus, wenn zwei Künstler sich nach dem Zivilisationsbruch des millionenfachen Mordes weigern, einfach zur Tagesordnung zurückzukehren.